Richard Clavadetscher
Bekim Alimi, Sie sind Imam in Wil, präsidieren den Dachverband Islamischer Gemeinden in der Ostschweiz und sind Vorstandsmitglied der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz. Hatten Sie in einer dieser Funktionen je zu tun mit Vertretern der An’Nur-Moschee in Winterthur?
Bekim Alimi: In all diesen Funktionen hatte ich bis heute keinen Kontakt mit Vertretern dieser Moschee. Ich bin lediglich einmal vor zwei Jahren von den Medien dazu befragt worden und habe meine Position dazu geäussert: Ich habe damals die Behörden aufgerufen, mit den Verantwortlichen der Moschee in Kontakt zu treten – bevor die Situation eskaliere.
Diese Moschee steht im Ruf, eine extreme Variante des Islam zu propagieren. Würden Sie als Theologe dieser Beurteilung zustimmen?
Alimi: Als Theologe kann ich nichts damit anfangen, wenn sich Leute mit extremen Positionen auf den Islam berufen. Denn der Prophet Mohammed war nicht extrem. In Medina, der Stadt des Propheten, lebten auch Andersgläubige – und er mit ihnen. Wenn also der Prophet damals mit Vertretern anderer Religionen zusammenleben konnte, dann frage ich mich, auf welche Tatsachen sich diese Extremisten stützen, wenn sie etwas anderes propagieren.
Ein Auslöser der Polizeiaktion in Winterthur scheint ja gewesen zu sein, dass ein Prediger vor ein paar Tagen eine Hasspredigt mit Mordaufruf gehalten hat. Das wird Sie entsetzen?
Alimi: Natürlich entsetzt mich das! Gegen wen wollen wir kämpfen? Wen wollen wir töten? Gott bewahre uns, gerade in der Moschee, also in einem Gotteshaus, vor solchen Aufrufen!
Sie arbeiten ja für ein gutes Verhältnis der Religionen untereinander. Solche Predigten werden Ihre Arbeit nicht erleichtern!
Alimi: Ja, solche Vorkommnisse erschweren unsere Arbeit enorm. Statt aktiv integrativ zu arbeiten, müssen wir uns in solchen Momenten immer wieder rechtfertigen und Position beziehen.
Es fällt auf, dass die An’Nur-Moschee in Winterthur Imame aus dem Ausland hatte, die sich so extrem geäussert haben. Sind ausländische Prediger denn ein Problem für die Gemeinschaft der Muslime der Schweiz?
Alimi: Wir dürfen nicht pauschalisieren! Ausland ist eben nicht gleich Ausland. Es kommt darauf an, von wo genau aus dem Ausland jemand kommt. Sehen Sie, ich habe an der Al-Azhar-Universität in Kairo studiert – also im Ausland. Andere studierten in der Türkei oder in Bosnien – auch alles Ausland. Die Frage muss also weniger sein, woher jemand kommt, sondern was er predigt. Aber abgesehen davon: Was wir jetzt über die Predigt in der An’Nur-Moschee in Winterthur hören, ist für die Muslime in der Schweiz nicht akzeptabel. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Welches Vorgehen empfehlen Sie denn den Verantwortlichen einer Moschee, wenn sie einen Prediger aus dem Ausland zum Beispiel als Gastprediger einladen?
Alimi: Meine Position ist die: Es soll nicht verboten sein, Referenten aus dem Ausland einzuladen, aber sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie in ein demokratisches Land eingeladen werden, sie müssen die Regeln, die hier in der Schweiz gelten, kennen und akzeptieren. Hier wird nicht aggressiv gepredigt, sondern methodisch. Aufrufe zu einem Verhalten, das dem Nächsten schadet, werden hier nicht toleriert. Das müssen Moschee-Verantwortliche einem Gastreferenten schon zum Zeitpunkt der Einladung klar bekannt machen.
In der öffentlichen…
Alimi: Lassen Sie mich noch sagen: Wir Muslime und unsere Organisationen müssen uns stets im Klaren sein: Es geht um uns! Kommt ein Gastprediger mit extremen Ansichten für zwei Tage in die Schweiz, wird er danach wieder abreisen – und wir alle, die wir hier leben, haben das dann auszubaden. Deshalb mein Aufruf an alle Moscheen, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind.
In der öffentlichen Diskussion hört man immer wieder, der Islam in der Schweiz habe neben extremen Predigern aus dem Ausland noch ein anderes Problem: Der strenge Wahabbismus sei durch Spenden aus Saudiarabien auf dem Vormarsch und dränge den liberalen Islam aus dem Balkan zurück. Ist das so?
Alimi: Der weltweite Vormarsch des Wahabbismus ist eine Tatsache, die wir auch etwa auf dem Balkan sehen. Ich habe die Übersicht vor allem über die Moscheen in der Ostschweiz und die albanischen Moscheen in der Schweiz. Da bin ich froh, dass wir genug Spenden und auch tatkräftige Hilfe von unseren Gläubigen bekommen und nicht auf ausländische Spenden angewiesen sind.
Zurück zu den Predigern: Die beste Lösung wäre doch, Imame in der Schweiz auszubilden oder Imamen mindestens eine Zusatzausbildung anzubieten. Dann müssten keine mehr aus dem Ausland kommen. Was halten Sie davon?
Alimi: Das sagen wir seit langem! Die Imame, die hier sind, sollen sich weiterbilden können. Sie sollen nicht nur die Sprache lernen, sondern auch die Sitten und Gebräuche des Landes kennen. Erst dann ist man richtig angekommen hier. Und auch nur so kann man etwa die Kinder richtig lehren, denn man muss das ja mit Beispielen aus ihrer Lebenswelt tun können – und die ist schweizerisch. Ich bin also für eine Imam-Ausbildung in der Schweiz und habe das auch immer gesagt. Das nützt nicht nur den Muslimen, sondern der ganzen Gesellschaft.
Man könnte noch einen Schritt weiter gehen: Nur wer mindestens die Zusatzausbildung in der Schweiz gemacht hat, darf hier predigen.
Alimi: Ich bin keine Freund von immer mehr Gesetzen, aber persönlich ist das mir nicht zu streng.
Sehen Sie andere Lösungen, damit wir hier künftig nicht mehr solche Probleme haben wie jetzt in Winterthur?
Alimi: Ja. Ich denke, wir sollten noch mehr Kontakt miteinander haben als heute schon. Die Behörden und die kirchlichen Behörden würde ich bitten, mit muslimischen Gemeinden noch mehr diesen Austausch zu pflegen.
(Quelle: http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ostschweiz/tb-os/Hassprediger-sind-fuer-Moslems-nicht-akzptabel;art120094,4809459)